DKMS Mitarbeiter Alessandro Hämmerle fliegt nach Neapel um die Aktion für den kleinen Alessandro vor Ort mit Materialien zu unterstützen. Über seine spontane Reise berichtet er in seinem Blogbeitrag.
Ich arbeite schon seit vielen Jahre bei der DKMS und kann sagen: es wird niemals langweilig. Denn am Ende des Tages geht es um die Hoffnungen von Patienten weltweit, die auf eine Stammzelltransplantation angewiesen sind – es geht ums Überleben. Da spielen Zeit, die Spontanität und Flexibilität eine große Rolle.
Vor gut zwei Wochen sollte sich diese Erfahrung erneut bestätigen, als ich samstags eigentlich schon gemütlich in meinem Wochenende angekommen war. Eine Kollegin aus dem Bereich Internationale Spenderneugewinnung rief mich an und sagte: „Alessandro, du musst nach Neapel fliegen!“
Was war passiert: Der 18 Monate alte Alessandro, hier konnte ich schon aus Namensgründen einen schnellen persönlichen Bezug entwickeln, lebt mit seinen aus Italien stammenden Eltern in London. Vor wenigen Wochen wurde bei Alessandro die lebensbedrohliche Immunerkrankung Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) diagnostiziert. Schnell stellen die Ärzte des kleinen Jungen, der schon als Frühchen auf die Welt kam, fest, dass eine Stammzelltransplantation die einzige Chance auf Überleben ist. Zusammen mit seinen Eltern startete die DKMS in allen Ländern, in denen wir aktiv sind, einen internationalen Hilfsappell.
Und dieser Hilfsappell schwappte darüber hinaus auch nach Italien über, da die Familie dort noch fest verwurzelt ist und sich die Eltern von Alessandro in Absprache mit ADMO Italia (einer italienischen Organisation, über die sich Personen in die regionalen Stammzellspenderdateien aufnehmen lassen können) über die italienischen Medien mit einem Hilferuf an die italienische Bevölkerung. Daraufhin ließen sich mehrere tausend Menschen im Rahmen zahlreicher, von ADMO organisierter Registrierungsaktionen quer durch Italien als potenzielle Stammzellspender registrieren – alleine in der Vorwoche waren es in Neapel über 3.000.
Dieser direkte, mit einem konkreten Patientenschicksal verbundene Aufruf zur Registrierung, wie ihn die DKMS seit ihrer Gründung nutzt, ist in Italien in dieser Form neu. So kam der enorme Zulauf in Neapel auch für die Organisatoren von ADMO Campania überraschend. Diese Überraschung zeigte sich auch darin, dass nach der Aktion in Neapel bereits absehbar war, dass das benötigte Material für die Folgeaktion im 30 Kilometer entfernten Caserta – dort hatten sich bereits über zwei Tausend Personen online angemeldet – nicht mehr ausreichen würde. Da die Aktion jedoch in jedem Fall stattfinden sollte, nahm ADMO in ihrer Not am Samstagnachmittag Kontakt zur DKMS auf, mit der Bitte um Unterstützung. Zwei Telefonate später war schließlich klar, dass wir kurzerhand alles in die Wege leiten würden, um die benötigten Wattestäbchen nach Caserta zu bringen und somit den Erfolg der dortigen Aktion sicherzustellen – und ich sollte der Kurier sein.
Und dann musste alles sehr schnell gehen. Nach kurzer Abstimmung mit der besagten Kollegin, die sich zu dem Zeitpunkt im Urlaub auf Sizilien befand, und ADMO Italia buchte ich für Sonntagmorgen einen Flug von München nach Neapel. In unserer Tübinger Zentrale, in der ich selbst arbeite, packte ich noch am Samstagabend die 4.500 Buccal Swabs – so heißen die medizinischen Watteträger zur Registrierung neuer Spender in der Fachsprache – in einen Koffer und machte mich am nächsten Morgen mit dem Auto von Tübingen aus auf zum Münchner Flughafen. Rechtzeitig vor Aktionsbeginn um 9.30 Uhr konnte ich dann die Wattestäbchen in Caserta an den Präsidenten von ADMO Campania, Michele Franco, übergeben.
Mit überwältigender Freude wurde die Wattestäbchen-Lieferung in Empfang genommen und kamen unmittelbar zum Einsatz. Somit konnten an diesem Tag bis spätabends – wie ich per WhatsApp erfahren habe, wurde der letzte Spender um 21:45 Uhr in Empfang genommen – weitere fast 4.000 Spender aufgenommen werden. Eine respektable Leistung, auch deshalb, weil das ADMO-Team vor Ort aus nur acht (!) Personen bestand, die unermüdlich Fragen beantworteten, Ausschlusskriterien abklärten und sich bei jedem neuen Spender aufs Herzlichste bedankten – so wie wir das auf unseren eigenen DKMS-Aktionen eben auch machen.
Diese unverhoffte Reise ist ein schönes Beispiel erfolgreicher internationaler Zusammenarbeit im Bereich der Stammzellspende und zeigt, wie problemlos Landesgrenzen überwunden werden können, um so viele potenzielle Lebensretter wie möglich zu registrieren.
Und für mich persönlich war es wieder eines dieser Ereignisse, die meine Arbeit für mich so besonders machen.