Blogbeitrag

Aus dem Tagebuch von Patientin Jennifer

Jennifer ist gerade Mutter geworden, als sie an einer chronischen Form der Leukämie erkrankt. Was dann passiert, berichtet die 26-Jährige in einem bewegenden Tagebuch. Berührende Auszüge daraus lest hier in diesem Blogbeitrag.

26.11.2019

Hallo, mein Name ist Jennifer und ich möchte euch heute von meiner Geschichte erzählen.

Ich bin 26 Jahre alt und lebe mit meinem fünfjährigen Sohn und einer kleinen Hundedame zusammen. Alles begann im März 2015. Ich hatte meinen Sohn geboren und war voll im Mutterglück. Alles schien perfekt. Ich war grade dabei, meinen Schwangerschaftspfunden den Kampf anzusagen, was auch erstaunlich gut und vor allem sehr schnell funktioniert hat. Ich war überrascht – in drei Monaten waren es schon 25 kg, die ich verloren hatte. Ich dachte es sei die hormonelle Umstellung oder sowas in der Art. Dann steckte mein Sohn mich mit einer Bronchitis an und ich hatte grade meinen Hausarzt gewechselt, im Nachhinein ein Glück. Er wollte dann erstmal für seine Kartei, alle Werte aufnehmen und nahm mir Blut ab.

Als die Werte zurückkamen und ich erneut bei Ihm war, sagte er mir, dass meine Leukozytenwerte sehr hoch sind, er aber denkt, dass es durch die Entzündung in meinem Körper kommt. Ich sollte erstmal die Bronchitis auskurieren und danach würde ein neues Blutbild gemacht.

Ich weiß noch genau, wie der Anruf an einem Freitagmittag kam und ich mitten in der Bahn stand, auf dem Weg nach Dortmund.

„Frau Berning, die Ergebnisse sind da, die Werte sind schlechter geworden, wir leiten Sie weiter an einen Onkologen, aber machen Sie sich keine Sorgen, das ist ein ganz normaler Ablauf und noch lange kein Grund zur Sorge, wir wollen nur auf Nummer sichergehen.“

Der Termin in der onkologischen Praxis, war gleich am darauffolgenden Montag. Ich war total nervös und wusste irgendwie gar nicht so recht, was hier passiert. Mir wurde erneut Blut abgenommen und es gab ein Gespräch mit der Ärztin. Ich erzählte Ihr noch ganz euphorisch, dass ich grade sehr viel abgenommen habe und alles super sei, dass ich zwar nachts sehr viel schwitze, aber das wäre ja nicht so schlimm. Ihr Blick jedoch verriet mir irgendwie, dass genau diese Dinge Ihr überhaupt nicht gefielen. Sie sagte mir dann, dass der Gewichtsverlust viel zu schnell sei und auch das nächtliche Schwitzen, kein gutes Zeichen wäre. Aber wir schauen erstmal in zwei Tagen, was die Ergebnisse sagen.

Ich saß also zum ersten Mal in einer onkologischen Praxis. Ich wurde aufgerufen und schon die Arzthelferin schaute mich an und sagte: „Zu einer solchen Nachricht allein zu erscheinen, ist aber auch sehr stark.“ Ich wusste überhaupt nicht, was Sie mir damit sagen wollte und meine Nervosität stieg an. Dann war es soweit, die Ärztin kam rein, schaute mich an (mit einem Blick, den ich wohl nie wieder vergesse) und sagte, „Frau Berning, sie haben Blutkrebs! Sie haben eine chronisch myeloische Leukämie, kurz CML.“ Ich kann überhaupt nicht beschreiben, was in diesem Moment in mir vorging. Ich stand wohl etwas unter Schock und meine erste Frage war, „Verliere ich nun meine Haare?“ Ich weiß, im Nachhinein betrachtet total verrückt.

Sie erklärte mir dann alles bis ins kleinste Detail und da wurde dann auch gesagt, dass diese Krankheit wohl auch in meiner Schwangerschaft schon da war, jedoch nicht erkannt wurde.

Mitten in dem Gespräch, flossen mir dann doch die Tränen. Ich denke, dass war der Moment als ich verstand, worüber wir hier eigentlich sprechen. Und plötzlich schießen einem so wahnsinnig viele Gedanken in den Kopf.

Was ist, wenn ich sterbe?

Was ist dann mit meinem Kind?

Ist mein Sohn auch krank?

Werde ich sehen, wie mein Sohn aufwächst?

Ich war total überfordert mit der Situation. Meine Ärztin jedoch, war sehr einfühlsam und hat wirklich versucht, mir jede Angst zu nehmen. Zusätzlich vereinbarten wir dann einen weiteren Termin zur Knochenmarkpunktion mit einer Beckenkammbiopsie. Um ehrlich zu sein – gruselige Worte und genau so habe ich mir das dann auch vorgestellt.

Die Knochenmarkpunktion ist nötig, um genau beurteilen zu können, wie die Krankheit sich verhält und was genau da vor sich geht. Wir haben dann erst versucht, diese Punktion in der Praxis zu machen, aber ich war so nervös, dass dies nicht möglich war. Ich bekam dann einen Termin im Krankenhaus, um die schmerzhafte Punktion dann in einem „Dämmerschlaf“ durchzuführen.

Nun hieß es erneut…Warten! Das muss man leider wirklich viel zu oft. Das alles kostet Kraft.

Die Ergebnisse waren also endlich da und ein weiteres Gespräch folgte, natürlich wieder in Verbindung mit einer Blutentnahme.

Ich bekam nun mein erstes Medikament, um meine Leukozyten schnellstmöglich wieder zum Normalwert zurückzubringen und die Krankheit zu unterdrücken. Die drei Monate mit dem Medikament vergingen und meine Leukozytenwerte im Blut sahen wunderbar aus. So konnten wir nun darüber sprechen, welches Medikament ich als Langzeittherapie bekommen soll. Das Ansprechen auf dieses Medikament war extrem gut und alles lief wie geplant.

Doch dann habe ich meine Rebellische Phase bekommen, wie die Ärzte es auch nannten. Alles sah so aus, als sei ich gesund, also wozu diese Tabletten? Knappe drei Monate habe ich einfach aufgehört mein Medikament zu nehmen. Bei der ersten Kontrolle ist das auch noch nicht einmal aufgefallen, bei der zweiten jedoch sehr deutlich! Plötzlich wurde meine Ärztin panisch und sagte mir etwas von „MMR Verlust“ also ein Therapieversagen. Jetzt war mir klar: du musst die Wahrheit sagen.

Ich hatte Angst, als ich es ausgesprochen habe, doch meine Ärztin hatte doch irgendwie Verständnis für mich, meine Situation und auch für mein Handeln, legte mir jedoch mit einem sehr langen Gespräch ans Herz, weiter zu machen. Weitere Kontrollen und Gespräche vergingen und alles lief wieder sehr gut. Bis sich schließlich auch meine Schilddrüse mit einer Überfunktion zu Wort meldete, aufgrund des Medikaments.

Jetzt musste wieder geschaut werden, wie das zu behandeln ist, denn normale Schilddrüsentabletten waren keine Option, in Verbindung mit meinem Medikament. Also gab es Cortison um die Werte wieder in den Griff zu bekommen. So verging dann knapp ein Jahr ohne weitere, größere Probleme…

Nach einem Jahr ohne größere Probleme merkte ich plötzlich, dass etwas an mir anders war…ich war mir nicht ganz sicher, aber dieses Gefühl kannte ich bereits. Ich ging zum Arzt und ließ mich untersuchen und ich hatte Recht…Schwanger! Ich rief sofort meine Ärztin an und bat schnellstmöglich um einen Termin und bekam auch gleich einen für nachmittags. Ich habe so viel geweint, während dieses Gesprächs, weil ich einfach nicht wusste, wie das alles klappen sollte. Ich musste mein Medikament sofort einstellen und wurde weitergeleitet, an die Uniklinik.

Aufgrund der Schwangerschaft, mit meinem Medikament wurde ich gefragt, ob ich in eine Studie aufgenommen werden dürfte, in der Berliner Charité. Ich hatte wieder eine Menge Gespräche und ein Haufen an Kontrollen, doch bevor es überhaupt dazu kam, dass andere Medikament zu beginnen, erlitt ich eine Fehlgeburt. Für mich sehr schwer zu verkraftende Nachricht.

Ich begann die vorherige Therapie wieder, doch mir fiel es sehr schwer, nun diese ganzen Zeiten wieder einzuhalten, ich wollte ja meinem Sohn auch das gemeinsame Essen beibringen.

So verging ca. ein weiteres Jahr, mit weiteren Kontrollen und Gesprächen alle drei Monate. Und die Krankheit verhielt sich ruhig, so wie es sein sollte. Leider sollte ich so nicht weitergehen. Ich mache jetzt Pause und kümmere mich erst einmal um meinen Sohn. Ohne ihn würde ich vieles nicht ertragen.

Die Zeit der Ruhe war trügerisch. Denn plötzlich hieß es, „Frau Berning, ihre Werte verschlechtern sich.“ Natürlich lag die Vermutung nah, dass ich meine Medikamente wieder selbständig abgesetzt habe, doch das war nicht der Fall. Ich war überrascht und in mir machte sich sofort Panik breit.

Der Arzt wollte erstmal wieder engmaschigere Kontrollen, um zu sehen ob die Werte noch schlechter werden und sprach nochmal mit mir. „Sie wissen, ihre Werte haben die rote Linie wieder überschritten und was das heißt, wissen Sie auch. Ich schicke Sie nach Münster in die KMT (Knochenmarktransplantationsklinik). Ich rufe Sie an, sobald ich einen Termin für sie habe.“ Dies geschah schon wenige Tage später.

Der erste Termin in Münster. Ich war sehr nervös und froh, nicht alleine dorthin zu müssen.

Und dann kam es wieder: wir machen eine erneute Punktion, um zu sehen, wo sich die Krankheit befinden und um auszuschließen, dass wir uns in einer „Blastenkrise“ befinden.

Ein erneuter Termin, eine erneute Punktion. Danach ging es wieder nach Hause und das Warten begann.

Es folgt das nächste Gespräch…keine „Blastenkrise“! Ein sehr gutes Zeichen.

Doch der Arzt sagte schon, immer wenn es so aussieht als hätten wir es im Griff, kommt irgendwas dazwischen. Deshalb muss ich mich jetzt auf eine Transplantation vorbereiten. Das ist ein harter Weg, aber vermutlich der Einzige. Meine Brüder wurden getestet, ob sie als mögliche Spender für mich in Frage kommen. Das war immer so DIE Hoffnung. Doch die Nachricht war negativ. Das war ein wirklicher Schock. Denn damit steht fest, dass nur noch ein fremder Spender mein Leben retten kann.

Und damit wende ich mich jetzt an euch: Ich will leben und meinen kleinen Sohn aufwachsen sehen. Daher bitte ich euch von ganzem Herzen – nehmt an dieser Aktion teil. Macht etwas wirklich Gutes am ersten Advent. Kommt vorbei, bringt eure Freunde mit und lasst euch registrieren. Es ist das Wertvollste, was ihr schenken könnt. Und es kostet nichts. Außer 10 Minuten eurer Zeit. Über 60 ehrenamtliche Helfer werden da sein und dafür sorgen, dass keiner warten muss. Und für Kaffee und Kuchen ist ebenfalls gesorgt. Ich werde natürlich auch da sein und mich über jeden einzelnen Spender freuen. Denn jeder einzelne Spender schenkt mir Hoffnung auf ein zweites Leben.

Und wer nicht zur Aktion kommen kann, hat natürlich die Möglichkeit, sich online unter www.dkms.de/jennifer_1911 zu registrieren.

Über Jennifer

Jennifer ist gerade Mutter geworden, als sie nach einer Routineuntersuchung beim Hausarzt erfährt, dass sie an einer chronischen Form der Leukämie erkrankt ist. Was dann passiert, welche Höhen und Tiefen sie während der Therapie erlebt, warum sie jetzt auf eine lebensrettende Stammzelltransplantation angewiesen ist und wie sie dies emotional verarbeitet, berichtet die 26-Jährige in einem bewegenden Tagebuch.

Weitere Möglichkeiten zu helfen
Du kannst die DKMS auf vielfältige Weise unterstützen und damit vielen Blutkrebspatient:innen neue Hoffnung auf Leben geben.