Als Krankenschwester ist Nina immer gerne für andere Menschen da. Dass sie einmal selbst auf Hilfe angewiesen ist, erfuhr sie zum ersten Mal 2017, als sie die Diagnose akute myeloische Leukämie erhielt. Nach vielen Therapien bekam sie im Februar 2021 eine Stammzellspende – von Roman.
Nina ließ sich bereits während ihrer Ausbildung im Jahr 2004 als potenzielle Spenderin in die DKMS aufnehmen. „Für mich war die Registrierung damals selbstverständlich“, sagt sie. Dreizehn Jahre stand sie weltweit für andere Betroffene in der Datei zur Verfügung, bis sie 2017 selbst an Blutkrebs erkrankte. Es folgten Chemotherapien – und auch eine mögliche Stammzellspende stand im Raum. Tatsächlich wurde Roman damals bereits gefunden, aber noch nicht gebraucht. Die Chemotherapie hatte angeschlagen und die Leukämie war nicht mehr feststellbar.
Ein Jahr lang verlief alles gut. Dann der Schock: Bei einer Untersuchung 2019 war ein Blutwerte auffällig. Ein möglicher Rückfall zeichnete sich ab – diesmal mit einer Mutation. Die Ärzte schlugen Alarm und Nina wurde wieder stationär ins Krankenhaus aufgenommen. „Das durfte doch nicht wahr sein. Ich wollte nicht schon wieder diese Torturen durchmachen. Ich wollte einfach nur heim“, erinnert sie sich.
Zu diesem Zeitpunkt baten wir Roman erneut, zur Untersuchung seines Gesundheitszustandes für eine mögliche Stammzellspende Blut abzugeben. Doch wieder blieb es für eine Weile still um das Thema. Was Roman damals nicht wusste: Nina nahm zunächst noch an verschiedenen Studien teil – eine Transplantation stand aber weiterhin im Raum und wurde schließlich immer wahrscheinlicher.
Frauenpower
Den Anstoß für Romans Registrierung bei der DKMS gab seine Frau Miriam Schmidt (32), die ihn 2014 auf das Thema aufmerksam machte. „Für mich war klar, dass ich mich registrieren lasse, auch wenn ich nie gedacht hätte, dass ich mal drankomme“, sagt Roman. „In meinem Umfeld habe ich übrigens die Erfahrung gemacht, dass Männer dem Thema deutlich skeptischer gegenüberstehen als Frauen.“
„Veralbern kann ich mich selbst“
Einen Tag vor Weihnachten 2020 erhielt Roman einen Anruf von der DKMS mit der Frage, ob er noch zur Spende bereitstünde. Zunächst dachte er, es wäre ein Scherz. „Veralbern kann ich mich selbst“, sagte er lachend zu unserem Mitarbeiter am anderen Ende. Aber – aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei. Dieses Mal war die Anfrage verbindlich. Ninas Zustand ließ eine Transplantation nicht nur zu, sie war sogar dringend notwendig. Roman war selbstverständlich weiterhin bereit zu helfen.
„Ich ziehe das durch“
Nach der jahrelangen Tortur war die Transplantation Ninas letzte Hoffnung. „Für mich war klar, ich ziehe das durch, egal was kommt, auch wenn der Weg hart wird. Ich wollte einfach nur ganz bald wieder nach Hause“, sagt Nina. Schon über drei Jahre kämpfte sie gegen die Leukämie an, ließ zwischenzeitlich unzählige Behandlungen über sich ergehen, lag auf der Intensivstation und hatte kaputte Schleimhäute. Die hochdosierte Chemotherapie für die bevorstehende Transplantation setzte Nina besonders zu und sie kämpfte mit Übelkeit und Erbrechen. Dennoch versuchte sie sich mit Physiotherapie und Sport fit zu halten. Sie fieberte dem Transplantationstag und ihrem neuen Immunsystem entgegen.
Auf der anderen Seite empfand Roman die Stammzellspende als angenehm und entspannt. Nach etwa dreieinhalb Stunden hatte er die benötige Menge Blutstammzellen abgegeben. „Die Zeit ging ganz locker flockig vorbei“, sagt er. Ein wenig unangenehm empfand er die Spritzen vorab und die grippeähnlichen Nebenwirkungen. „Man merkt, da passiert etwas im Körper. Das war aber auf jeden Fall ertragbar.“ Für ihn war immer klar: „Ich mache das jetzt einfach, Hauptsache ich kann helfen.“
So einfach die Stammzellspende für Roman ablief, so schwierig war die Transfusion der Zellen für Nina. Sie erinnert sich an eine unruhige Nacht danach: „Mein Blutdruck eskalierte“. Doch bald ging es bergauf. Bereits nach neun Tagen waren die ersten Leukozyten sichtbar. Ganz langsam besserten sich Ninas Beschwerden. Nach dreieinhalb Wochen kam sie schließlich nach Hause.
„… schön, dass Du da warst, als ich dich am meisten gebraucht habe…“
Die eigenen vier Wände taten Nina gut. Im August 2021 konnte sie die Medikamente zur Immunsuppression bereits absetzen. „Romans Stammzellen gingen ab wie eine Rakete und nisteten sich gut bei mir ein“, sagt Nina. Der Brief, den sie daraufhin ihrem unbekannten Lebensretter zuschickte, um sich bei ihm zu bedanken, begann so: “Hallo Zwilling, schön, dass Du da warst, als ich dich am meisten gebraucht habe…“.
Ende der Anonymitätsfrist
Im Februar 2023, nach ihrem zweiten Transplantations-Geburtstag, gab Nina über ihre behandelnde Klinik in Heidelberg ihre Adressdaten frei. Sie hoffte, dass auch ihr Spender an einem persönlichen Kontakt interessiert war. Schon bald erhielt Roman eine persönliche Nachricht von Nina. Er antwortet sofort und es folgte ein reger Austausch von Nachrichten und Fotos. Da beide nur 30 Kilometer voneinander trennen, trafen sie sich zusammen mit ihren Partner:innen und Romans Tochter Carolina bei Nina zuhause.
„Roman zu treffen wurde endlich Wirklichkeit. Wir haben uns erst einmal in den Arm genommen. Es hat sich gut angefühlt“, sagt Nina. Und weiter: „Roman ist der Grund warum ich lebe. Ihn und seine Frau kennenzulernen war einmalig.“ Auch für Roman und Miriam war das erste Treffen besonders: „Nina ist eine bewundernswerte und starke Frau. Auf Fotos, wo Nina mitten in der Chemotherapie steckt, lacht sie und strahlt einen unfassbaren Optimismus und Lebenswillen aus“, sagt Roman.
Fest steht, es wird noch weitere Besuche geben, um sich besser kennenzulernen und natürlich auch noch weitere Familienmitglieder und Freunde zu treffen.
„Ich bin froh, dass meine Frau mir den Schubs gegeben hat und ich mit meiner Spendenerfahrung bereits einige Menschen, vor allem auch Männer in meinem Umfeld, zu einer Registrierung überzeugen konnte,“ sagt Roman. „Eine Stammzellspende bedeutet wenig Aufwand und hat eine großer Wirkung: Sie verlängert Leben.“
Nina geht es heute wieder gut. Sie hat ihre alte Kraft zurück und arbeitet wieder Vollzeit als Krankenschwester in der zentralen Notaufnahme in Heilbronn. In ihrer Freizeit geht sie gerne ins Fitnessstudio, fährt Fahrrad oder arbeitet im Garten. Kürzlich hat sie zu einer Mitarbeiter-Registrierung in ihrem Krankenhaus aufgerufen. Rund 80 Kolleg:innen haben sich dabei in die Datenbank der DKMS aufnehmen lassen. „Dank Romans Spende habe ich wieder ein normales Leben, kann mit meiner Familie und meinen Freunden zusammen sein. Ich möchte daher jedem gesunden Menschen ans Herz legen, sich zu registrieren.“