Patientengeschichten

Dankbarkeit – wenn ein Wort wirklich alles sagt

Wer dem Tod schon einmal so nah war wie Nicole, erlebt Dinge anders – intensiver und mit großer Dankbarkeit. Die spürt auch Stefan, ihr genetischer Zwilling. Und zwar dafür, dass er die Erfahrung einer Stammzellspende machen und ein Leben retten durfte. Jetzt haben sich beide kennengelernt.

23.03.2023

Als IT-Projektmanager ist es Stefan aus Dresden gewohnt, Dinge sachlich und nüchtern zu betrachten. Doch es gab da ein „Projekt“, das ihn bis heute emotional wirklich anfasst: Er spendete vor zwei Jahren Stammzellen an Nicole, eine junge Frau, die an einer äußert aggressiven Art der Leukämie erkrankt und zu diesem Zeitpunkt mit ihrem zweiten Kind schwanger war. Diese Erkrankung bedrohte ihr eigenes Leben und kostete leider das ihres ungeborenen Sohnes. Die Stammzellspende von Stefan bedeutete für Nicole eine zweite Lebenschance. Erfolgreich. Nach Ablauf der zweijährigen Anonymitätsfrist sind sich beide nun zum ersten Mal begegnet.

Bei diesem Treffen in Nicoles Heimat Dornstetten, einem Ort in Baden-Württemberg, erfuhr Stefan von Nicoles hartem und langem Weg: Sie war 24 Jahre alt, verheiratet, Mutter eines zweijährigen Mädchens und in Erwartung eines Jungen, als sich bei einer Routineuntersuchung beim Frauenarzt herausstellte, dass sie unter Leukämie litt. Das ungeborene Baby verstarb nur wenig später, für Nicole bedeutete die Diagnose wochenlange Krankenhausaufenthalte und schier endlose Strapazen durch die Krebsbehandlung. Sie musste im Herbst 2020 in ein künstliches Koma versetzt werden, sie erlitt eine Sepsis, Multiorganversagen, und sie verlor Teile von vier Fingern.

Im Frühjahr 2021 erhielt sie dann die lebensrettende Stammzellspende und kämpft sich seitdem zurück ins Leben. Ein langer Weg, der noch nicht zu Ende ist. Der Blutkrebs ist besiegt, doch die Nebenwirkungen der Behandlung spürt sie noch heute: Drei Mal wöchentlich braucht sie eine Dialyse, außerdem leidet sie an starken Abstoßungsreaktionen durch die Stammzelltransplantation, einer sogenannten chronischen Graft-versus-Host Disease (GvHD).

WIE EIN GUTER FREUND

Umso mehr genießt Nicole die kleinen Schritte, die es nach vorn geht und die sie auf ihrem Instagram-Kanal @nicoles_way_back dokumentiert. Ein Erlebnis machte ihr jüngst ganz besonders Freude: Sie lernte ihren Lebensretter kennen. Wie der Zufall es wollte, absolvierte Stefan vor einigen Jahren im Nachbarort ein Praktikum und plante mit seiner Familie einen Besuch bei Freunden aus dieser Zeit. „Drei, vier Tage, bevor wir in unsere Winterferien aufgebrochen sind, erfuhr ich, dass die Empfängerin meiner Spende aus Dornstetten stammt. Da lag die Idee, sie zu besuchen, doch nahe“, sagt Stefan. Und da Nicole ihren Lebensretter auch unbedingt kennenlernen wollte, stand der Plan fest.

Aufgeregt, nervös, auch ein bisschen unsicher – die Situation war speziell, erinnern sich beide. „Doch als Stefan mit seiner Familie die Treppe hochkam, fühlte es sich so an, als würde ein guter Freund vorbeikommen. Es war so, als hätten wir uns schon immer gekannt: vertraut, offen, einfach schön“, schwärmt Nicole.

„Ihre Geschichte, die ich dann erfuhr, hat mich sehr berührt“, erzählt Stefan. „Und mir wurde dabei erst so richtig klar, welche Bedeutung eine Stammzellspende hat. Für mich waren es nur zwei Tage Krankenhaus, für Nicole war es ein Schritt von vielen auf einem extrem beschwerlichen Weg. Ich habe wirklich allergrößten Respekt vor dem, was Nicole und ihre Familie gemeistert haben.“

Heute lebt Nicole mit ihrer Familie ganz stark im Hier und Jetzt: „Ich bin dankbar, dass ich weiterleben darf. Und wir genießen es als Familie einfach. Wir überlegen deutlich weniger, ob wir etwas machen oder nicht“, sagt Nicole. „Sondern machen es meist einfach. Und wir denken weniger über Kleinigkeiten nach.“ Und darum ist auch klar, dass die dreiköpfige Familie zu einem Gegenbesuch nach Dresden fahren wird.

Für Stefan, der heute 33 Jahre alt ist, bestand seit seiner Registrierung als Stammzellspender nie ein Zweifel, dass er im Fall einer entsprechenden Bitte helfen würde. „Die DKMS hat mich durch den ganzen Prozess prima begleitet. Ich erhielt auf alle Fragen ausführliche Antworten.“ Stefans Stammzellen wurden ihm unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm entnommen – eine Methode, die heute nur noch in etwa 10 Prozent der Fälle angewendet wird. „Für mich war klar, dass ich auf jeden Fall spende. Die DKMS hat mich über alle Schritte bestens informiert, insofern hatte ich überhaupt keine Bedenken wegen des Eingriffs.“

Stefan empfindet vor allem Dankbarkeit für die Erfahrung: „Viel leichter wird es einem ja nicht gemacht, ein Leben zu retten!“

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