„Mund auf, Stäbchen rein, Spender sein“ – das klingt simpel. Bestimmt fragen sich viele, was passiert, wenn es tatsächlich darum geht, mit seinen eigenen Stammzellen einem anderen Menschen möglicherweise das Leben retten zu können.
Nico Behrens (24) aus Hamburg hat das erlebt und beschreibt detailliert seine Erfahrungen. Sein Wunsch ist es, möglichst viel zu einer Registrierung zu motivieren. Er würde jederzeit wieder spenden.
Ich gehörte bisher zu jenen, die nicht so richtig wussten, was es heißt, Stammzellspender zu sein. Vor etwas mehr als zwei Jahren hatte dann die DKMS einen Stand an der NORDAKADEMIE in Elmshorn. Ich absolvierte dort mein Studium zum Wirtschaftsingenieur. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte die Mitarbeiter der DKMS Löcher in den Bauch. Sie erklärten mir, dass mit den verwendeten Stäbchen die Gewerbemerkmale der potenziellen Spender bestimmt werden. Diese müssen so exakt wie möglich mit jenen des Patienten übereinstimmen. Die identifizierten Gewebemerkmale werden dann in einer Datenbank abgelegt.
In einem ersten Schritt wird geprüft, ob ganz bestimmte Genabschnitte zu jenen des Blutkrebs-Patienten passen. Ist das der Fall, werden die in Frage kommenden Spender kontaktiert. Das können auch mehrere sein – so wie in meinem Fall. Das ist durchaus ungewöhnlich, denn häufig wird überhaupt kein Spender gefunden.
Nach dem Anruf, in dem ich meine Bereitschaft zu spenden noch einmal bestätigt habe, erfolgte eine wirklich umfangreiche Aufklärung. Der nächste Schritt war eine große Untersuchung in einem Krankenhaus, bei der Spezialisten für die Stammzellspende noch einmal genau prüften, ob ich wirklich für die Spende in Frage komme. Ich fuhr dafür in die Charité nach Berlin und unterzog mich einer tatsächlich vier Stunden dauernden Untersuchung. Dazu gehörten: Blutdruckmessung, Check der Vital-Werte, Ultraschall der Organe, großes EKG. Es ist wichtig, bei einer Spende in guter körperlicher Verfassung zu sein.
Gut vorbereitet zur Spende
Ein paar Tage später kontaktierte mich dann die Entnahmeklinik, also jene, in der die Spende erfolgen sollte. Im Grunde war das der entscheidende Anruf, denn eine Absage an dieser Stelle hätte bedeutet, dass die Spende für mich selbst ein zu großes Risiko bedeutete hätte oder ein anderer Spender besser geeignet wäre. In diesem Fall passten meine Gewebemerkmale am besten zu dem Patienten. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nichts über ihn oder sie.
Im nächsten Schritt entschieden die Ärzte, welche Entnahmetechnik in Frage kommt. Es gibt tatsächlich zwei, die möglich sind: Bei neun von zehn Fällen wird die „periphere Stammzellentnahme“ gewählt. Dabei werden über ein spezielles Verfahren, das man Apherese nennt, die Stammzellen aus dem Blut gewonnen. Das ist so ähnlich wie bei einer Blutspende. Beim zweiten Verfahren, das nur in zehn Prozent aller Fälle angewendet wird, entnehmen Ärzte dem Patienten unter Vollnarkose etwa einen Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm.
Bei mir wurde die Apherese gewählt. Dieses Verfahren erfordert ein wenig Vorbereitung. Für mich wurde deshalb ein Behandlungsplan aufgestellt: Ich habe mir über fünf Tage täglich morgens und abends eine Spritze mit dem Wirkstoff „G-CSF“ gesetzt. Das ist ein körpereigener Stoff, der dafür sorgt, dass Stammzellen vermehrt in die Blutbahnen freigegeben werden. Diese kommen ohne ihn nur zu einem zu geringen Teil in der Blutbahn vor. Das klingt vielleicht etwas komisch, ist aber wirklich einfach umzusetzen und bedeutet lediglich das Risiko, ein paar Tage grippeähnliche Symptome zu entwickeln. Ich hatte etwa drei Tage leichte Erkältungssymptome und Schmerzen im unteren Bereich des Rückens. Die Ärzte meinte dazu, dass dies ein gutes Zeichen sei, weil dann die Stammzellen in die Blutbahn freigegeben würden.
Am Tag der Spende setzte ich die letzte Spritze und ging in die Klinik, in der dann die Apherese durchgeführt wurde. Ich lag dafür einige Stunden in einem Bett. Wie bei einer Blutspende erhielt ich einen Zugang in der Armbeuge, und die Stammzellen wurden in einer Maschine extrahiert und in einem Beutel gesammelt. Dieser wurde anschließend direkt zum Patienten gebracht und ihm zugeführt.
Etwa sechs Monate später wurde ich erneut kontaktiert, um Lymphozyten zu spenden – auch das ist so ähnlich wie eine erweiterte Blutspende. Bei dieser Spende dienen die Zellen als Booster für das Immunsystem und helfen dem Patienten bei der Regeneration sowie bei der Zerstörung noch üblich gebliebener Krebszellen. Darauf musste ich mich nicht mit Spritzen vorbereiten, die Lymphozyten sind bereits reichlich in der Blutbahn vorhanden.
Nachdem ich von der Entnahmeklink die Information erhalten hatte, dass auch diese Zellen Ihren Job erledigt haben, durften der Patient und ich uns eineinhalb Jahre anonym Briefe zukommen lassen – ich wusste inzwischen, dass es sich um einen Mann handelte. Als Spender steht man generell nach der Spende erstmal zwei Jahre unter Schutz. Es soll vermieden werden, dass der Spender sich aufgrund subjektiver Empfindungen gegen eine erneute Spende entscheidet. Manchmal möchte ein Spender den Empfänger seiner Stammzellen auch gar nicht kennenlernen. Das wird immer respektiert.
Ich selbst war aber total neugierig und wollte die betroffene Person unbedingt kennenlernen. Ich bin froh, dass es Arno Kiegele, dem Empfänger meiner Stammzellen, ganz genauso ging. Denn wir haben uns jetzt, nach zwei Jahren, endlich persönlich getroffen. In diesen zwei Jahren hatte ich oft ein komisches Gefühl, denn ich wusste nicht zu jeder Zeit, wie es meinem bis dahin fremden genetischen Zwilling ging. Ich wurde teilweise nach längeren Zeitabschnitten von maximal vier Monaten über den Gesundheitsstand von Arno informiert. Die Spannung vor dem ersten Treffen war entsprechend groß.
Sehr bewegendes Treffen vor laufender Kamera
Wir waren beide total aufgeregt. „Ich glaub’s nicht, schön, Dich endlich zu sehen“, war denn auch das Einzige, was ich in diesem ersten Moment über die Lippen brachte. Es fühlte sich für mich gut und richtig an, ihn dann einfach mal in die Arme zu schließen. Arno erzählte mir dann, dass er sich über meinen ersten Brief besonders gefreut hatte. Meine Zeilen hätten ihm Kraft gegeben, sagte er. Mein Satz „Durch so eine schwere Zeit kommt am besten zu zweit“ hätte ihn sehr bewegt. Auch für mich war das sehr emotional, das gebe ich zu.
Schön fand ich, dass Arno und ich tatsächlich ein gemeinsames Hobby teilen – wir interessieren uns beide sehr für Handball. Dass er mir bei unserem Treffen dann ein von der Nationalmannschaft signiertes Trikot geschenkt hat, war einfach nur großartig.
In unserem Fall war alles zusätzlich aufregend, weil uns dabei ein ZDF-Team begleitete. Das hat natürlich den netten Nebeneffekt, dass wir eine einmalige Erinnerung an dieses Treffen behalten können, denn den Film können wir uns immer wieder anschauen und auch mit unseren Familien teilen.
Rückblickend kann ich nur sagen: Klar, es ist ein bisschen Aufwand, tatsächlich Stammzellen zu spenden. Aber er ist es wert! Unbedingt. Einem anderen Menschen möglicherweise das Leben zu retten und darin auch noch einen Freund zu finden – es gibt nicht viel, das das toppen kann. Also: Lasst Euch registrieren!