Blogbeitrag

Ein Brief an den Krebs

Henrike hat bereits viele liebe Menschen an den Krebs verloren und hat einen Brief geschrieben, den sie mit der Welt teilen möchte. Sie ist überzeugt davon, dass viele dieser Zeilen mit den Gedanken und Ängsten der Menschen übereinstimmen.

01.10.2018

Hallo Krebs.
Ich muss mal mit dir reden.
Du kriechst mit deinen Klauen durch unsere Anatomie und lässt dich in unserem Leben nieder. Aber das reicht dir noch nicht. Du nimmst dir jede Zelle unseres Körpers und frisst uns von innen heraus auf.

Hallo Krebs.
Ich bin ehrlich zu dir, ich mag dich nicht besonders. Du nimmst dir, was du willst und machst selbst die Größten ganz klein.

Du zerstört, ohne dabei die Miene zu verziehen. Man könnte sagen, du bist ein Arschloch. Ein Egomane der nicht eine Sekunde lang überlegt was er da tut.

Du kommst in unser Leben und löschst alles aus.

Wie ein Feuer brennst du unser sorgfältig erbautes Haus von innen nieder, bis nur noch eine kümmerliche Hülle aus verkohlten Resten bleibt.

Hallo Krebs.
Ich habe da mal eine Frage.
Bist du einsam? Eine Zelle reicht dir nicht. Ein Ort reicht dir nicht. Du musst immer weiter kriechen bis du alle Zellen vernichtet hast. Man könnte sagen, du frisst wie ein Schwein.

Hallo Krebs.
Ich glaube, ich weiß, warum du so bist.
Du bist allein. Liebe und Geborgenheit? Das kennst du nicht!

Du hast keine Familie, keine lieben Freunde oder jemanden der dir nahe steht. Du weißt nicht wie es ist, wenn man sich an Momente erinnert, die einen leben lassen, fühlen lassen.
Du bist jämmerlich.

Du handelst, ohne zu denken und du tötest, ohne zu zögern. Du lässt uns keine Entscheidungen mehr. Wenn du alles in uns gefressen hast, kriechst du auf deinen Thron, hebst deine Klauen in die Luft und stichst sie so tief in unser Herz, dass wir von Kälte und Dunkelheit überrannt werden.

Du fragst uns nicht, ob wir Familie haben. Du fragst uns nicht, ob wir Abschied nehmen wollen und du hast in deiner ganzen Karriere noch nicht einmal um dich geschaut.

Hallo Krebs.
Es tut mir nicht leid, dass du verbittert bist. Ich habe keinen Respekt vor dir und ich spuckte auf deine Natur.
Ich wollte mich nie verabschieden. Ich wollte Umarmungen spüren und liebe Worte hören.

Hallo Krebs, ich hasse dich.
Eines Tages, da wirst du all unseren Hass und all unsere Trauer zu spüren bekommen.

Denn irgendwann, kommt der Tag, an dem wir dir unser endgültig tödliches Gift verabreichen. Und dann stellen wir uns mit erhobenem Haupt auf dein Grab.

Hallo Krebs.
Es war schön mit dir zu sprechen aber ich muss jetzt gehen. In das Leben. Was du nie kennenlernen wirst!

Über Henrike Oetken

Henrike, die auf dem Aufmacherfoto zu sehen ist, hat bereits viele liebe Menschen an den Krebs verloren. Dazu sagt sie: „Nach dem meine Mutter die Diagnose Brustkrebs bekam, wollte ich meinen Frust irgendwie loswerden. Also habe ich einen Brief geschrieben. Mein Freund brachte mich dann auf die Idee, diesen Brief irgendwie an die Welt zu schicken. Ich bin überzeugt davon, dass viele dieser Zeilen mit den Gedanken und Ängsten der Menschen übereinstimmen.

Weitere Möglichkeiten zu helfen
Du kannst die DKMS auf vielfältige Weise unterstützen und damit vielen Blutkrebspatient:innen neue Hoffnung auf Leben geben.