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Warum Menschen Gutes tun

Neurowissenschaftler suchen nach objektiven Testmethoden, um altruistisches Verhalten zu messen. Wir sprachen mit Professorin Anne Böckler-Raettig von der Universität Würzburg. Sie erforscht soziale Kognition (z.B. Blickverarbeitung) und soziale Interaktion (z.B. prosoziales Verhalten).

26.04.2017

Außerdem begleitete Anne Böckler-Raettig mehrere Studien am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften – und räumt darin mit einigen Vorurteilen auf.

Warum tut ein Mensch einem völlig Fremden etwas Gutes, auch wenn er auf den ersten Blick dadurch keinen Vorteil erlangt? Eine ganze Palette an wissenschaftlichen Disziplinen befasst sich mit dieser Frage: Neben Philosophen, Psychologen, Verhaltensökonomen und Evolutionswissenschaftlern untersuchen auch Hirnforscher das Phänomen Altruismus. „Neurowissenschaftliche Befunde legen nahe, dass bestimmte Strukturen in unserem Gehirn, die wir als das Belohnungszentrum kennen, besonders aktiviert sind, wenn wir altruistisches Verhalten zeigen, wie zum Beispiel teilen“, erklärt Professorin Anne Böckler-Raettig.

Anne Böckler-Raettig; Foto: Daniel Peters

Die Psychologin wirkte 2016 am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften an einer Studie mit, in der unterschiedliche Motive für prosoziales Verhalten miteinander verglichen wurden. Beispielsweise wurde beobachtet, wie Versuchspersonen über eine Internet-Plattform interagierten und einfache Verhaltensentscheidungen trafen, etwa das Teilen eines Geldbetrags – mit echtem Geld. Ein weiteres wichtiges Testinstrument waren computergestützte Spiele, in denen Studienteilnehmer unter Zeitdruck komplexe Aufgaben lösen mussten und gelegentlich die Möglichkeit hatten, anderen Spielern zu helfen. Dabei lasse sich gut erkennen, wer Zeit und eigene Ressourcen investiere und wer dieses Risiko lieber nicht eingehe, führt die Wissenschaftlerin weiter aus.

Die Ergebnisse aus der Studie entkräften zwei gängige Vorurteile. Erstens: Sogenannte Gutmenschen seien gar nicht so naiv, wie böse Zungen behaupten. Zweitens: Selbstwahrnehmung und Realität lägen häufig weit auseinander.

Hinsichtlich des Gutmenschen-Vorwurfs ließen Verhaltens- und Intelligenztests darauf schließen, dass großzügige und hilfsbereite Menschen tendenziell intelligenter seien. Das bedeute aber nicht zwingend, dass Intelligenz kausal Altruismus fördern würde, schränkt Böckler-Raettig ein. Mit anderen Worten: Auch kluge Menschen sind mitunter geizig und egozentrisch. Besonders spannend findet die Wissenschaftlerin, dass sich die Probanden regelmäßig selbst überschätzen würden. Wer sich in Fragebögen selbst als ausgesprochen kooperativ, fair und altruistisch bezeichnet habe, verhalte sich in Labortests oft anders. „Hier sollten wir unbedingt weiterforschen“, so Böckler-Raettig.

Neben den persönlichen Eigenschaften spiele die Situation eine wichtige Rolle, in der eine Person altruistisch handelt oder nicht handelt. „Wir wissen beispielsweise, dass Menschen dazu neigen, Verletzten oder Hilfsbedürftigen weniger zu helfen, wenn viele andere potentielle Helfer anwesend sind. Das ist die sogenannte Verantwortungsdiffusion“, sagt die Psychologin.

Warum Menschen die DKMS unterstützen

Böckler-Raettig betont, dass die Erkenntnisse aus der Studie unter Laborbedingungen entstanden sind. Praxiserfahrung bringt die DKMS seit über 25 Jahren mit. Die gemeinnützige Organisation ist auf Altruisten angewiesen, die Zeit, Geld oder sogar Stammzellen spenden. Einen Wandel in der Spendermotivation beobachtet Heike Müller-Jungbluth, die seit 13 Jahren für die DKMS arbeitet und das Fundraising leitet. In den Anfangsjahren hätten die Menschen hauptsächlich Geld gespendet, um die eigene Registrierung zu finanzieren. „Die Menschen waren persönlich betroffen und oft war der ganze Ort auf den Beinen, um einem konkreten Blutkrebspatienten zu helfen“, sagt Müller-Jungbluth. Durch die steigende Bekanntheit der DKMS würden heute immer mehr Menschen auch ohne persönlichen Bezug zu der Krankheit Geld spenden. Jeder sei gerne Teil von etwas Großem – in diesem Fall im allgemeinen Kampf gegen den Blutkrebs – und möchte mit der Unterstützung etwas bewegen. Eine weitere Entwicklung ist laut Müller-Jungbluth in vollem Gange: In der Vergangenheit hätten sich Spender kaum in die Arbeit der Organisation einbringen wollen. Der Geldspender von heute möchte teilhaben und vor allem genau wissen, was seine Spende letztlich bewirkt hat.

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