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Zeit der Maulbeeren

„Zeit der Maulbeeren“ ist ein Projekt der Schauspielerin und Autorin Renan Demirkan, das sich an Krebspatientinnen richtet. „Es bietet bedürftigen, an Krebs erkrankten Frauen Möglichkeiten, um Ruhe zu finden und Kraft zu tanken. Bei Bedarf auch mit ärztlicher und psychoonkologischer Betreuung.“

26.06.2017

Wir haben Renan Demirkan an dem Ort besucht, an dem Krebspatientinnen geholfen werden soll. Im landschaftlich reizvollen Rhein-Sieg-Kreis, „in der rheinischen Toskana“, wie die Schauspielerin selbst sagt, bietet sie ihr eigenes Haus als Erholungs- oder Zufluchtsort für diejenigen an, denen genau das fehlt. „Den meisten Menschen fehlen nach einer schweren Krankheit sowohl Zeit als auch Ruhe. Wir benötigen aber beides, um wirklich wieder zu Kräften zu kommen. Und genau das möchte ich Krebspatientinnen mit meinen Möglichkeiten sehr gerne geben.“ Sie selbst hatte sich das Haus nach dem Tode ihrer Mutter gekauft und sich mehrere Jahre dorthin zurück gezogen.

Das Haus liegt sehr ruhig, perfekt für Erholungssuchende.

Wie wichtig – und wie schwer – Erholung nach einer schweren Krankheit ist, weiß Demirkan aus eigener, leidvoller Erfahrung. Im Sommer des Jahres 2013 war die Schauspielerin an Brustkrebs erkrankt. Als sie im darauffolgenden Herbst glaubte, die Krankheit körperlich überwunden zu haben und sich wieder an ihre Arbeit und ihr neuestes Projekt machen wollte, war jedoch nichts so wie vor der Krankheit. Sie war weit davon entfernt, wiederhergestellt zu sein. „Ich saß an meinem Schreibtisch und konnte nicht schreiben. Ich konnte nicht arbeiten. Mir fiel nichts mehr ein, ich war leer, meine Kraft war weg. Ich habe es selbst erlebt: Reha alleine genügt nicht.“

Immer wieder dachte sie in diesen Momenten darüber nach, warum sie sich noch schlecht fühlte, warum sie noch nicht leistungsfähig war, obwohl ihr doch die Ärzte sagten, sie hätte den Krebs überwunden. „Meine Gedanken drehten sich in diesen Momenten immer wieder im Kreis. Warum kann ich mich nicht konzentrieren? Was fehlt mir noch? Und was kann ich tun, um diesen Zustand zu ändern?“ Immer wieder die gleichen Fragen, immer noch die Kraftlosigkeit.

Bis irgendwann die Erkenntnis kam: „Während meiner eigenen Reha hatte ich zwei Frauen kennengelernt. Die eine konnte sich aufgrund ihrer finanziellen und sozialen Situation direkt im Anschluss eine Reise in den Süden leisten, mit allen Vorteilen, die das so mit sich bringt: Sonne, Licht und vor allem Zeit für sich selbst. Und fuhr fröhlich nach Hause. Die andere Frau aber musste unmittelbar nach der Reha direkt mit ihrem Alltag weitermachen, Kinder, Küche, Job. Und die wollte am liebsten noch bleiben, obwohl die Reha wirklich kein Wellnesstempel ist. Ich hatte wenigstens das Privileg, mich in mein Häuschen zu verkriechen. Als ich dann in diesem Herbst vor vier Jahren hier an diesem Schreibtisch saß und aus dem Fenster sah, da wurde es mir auf einmal klar: Wir brauchen nach so einer Erfahrung, nach so einer kraftraubenden Krankheit, mehr als nur die normale Reha. Natürlich ist die wichtig, aber dort steht fast nur die körperliche Erholung im Fokus. Was wir aber darüber hinaus brauchen ist Zeit! Zeit für uns! Zeit, in der wir nicht gefordert sind. Erst dann kommen wir mit uns ins Reine. Wenn wir Zeit haben, Ruhe finden, dann haben wir auch die Chance zu verstehen, was passiert ist.“

in wunderbarer Blick auf die umliegenden Hügel.

Es waren genau diese Dinge, die Demirkan in diesen Momenten klar wurden. „Eine Krebserkrankung ist ein so einschneidendes Erlebnis, das zieht immer ein Trauma nach sich. Und wir geben uns keine Zeit, dieses Trauma zu überwinden.“ Mit ihrem ganz ruhig gelegenen, lichtdurchfluteten Haus mit wunderbarer Aussicht auf die umliegend Hügel, möchte Demirkan anderen Frauen diese Möglichkeit auch zugute kommen lassen, als kostenfreie Unterstützung. „Wer hierher kommt, soll die Glücksmomente des Lebens wieder erkennen und erleben können.“

Der Weg von der Idee bis zum laufenden Projekt sollte aber noch steinig werden. „Ich habe bei vielen verschiedenen Organisationen nach Unterstützung gefragt oder inwiefern sie eine Kooperation mit mir eingehen möchten“, so Demirkan. Beides entpuppte sich jedoch als schwierig. „Ich habe dieses Projekt ja als Privatperson begonnen und nicht als Verein oder ähnliches. Das führt bei manchen Organisationen zu Verwirrung. Ganz einfach gesagt, denken die, ich würde hier Ferienvermietung betreiben. Also habe ich über zwei Jahre immer wieder Gespräche geführt. Ich wollte das Projekt auf keinen Fall aufgeben, denn das, was ich hier erleben durfte und was mir so sehr geholfen hat, wieder gesund zu werden, das möchte ich auch anderen Menschen zur Verfügung stellen. Diese Möglichkeit des Rückzugs sollen auch andere Frauen bekommen und zwar kostenlos.“

Demirkan kannte den Wissenschaftler und Arzt Josef Beuth bereits, als sie ihm die Idee zu ihrem Projekt vortrug. Prof. Dr. med. Josef Beuth, Mitbegründer und Vorstand der Jolly Beuth Stiftung – einer Stiftung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, krebskranke Eltern und deren Kinder praktisch und lebensnah zu unterstützen war sofort bereit zu helfen. So wurde das Projekt „Zeit der Maulbeeren“ offiziell eine gemeinsame Initiative von Renan Demirkan, Josef Beuth und der Jolly Beuth Stiftung.

Über die organisatorische Unterstützung und Zusammenarbeit hinaus wird Prof. Beuth, wenn es zeitlich möglich ist, den Patientinnen im Haus als Arzt zur Verfügung stehen. Bei Bedarf kommt er aus Köln zu den Patientinnen, denn ohne ärztliche und psychoonkologische Unterstützung ist der mentale Stress oft kaum zu bewältigen.

Der Blick aus dem Wohnzimmer auf die „rheinische Toskana“.

Nachdem die ersten organisatorischen Hürden mittlerweile genommen sind und die Umbauten am Haus soweit sind, dass es den Patientinnen an nichts fehlt, geht es aktuell darum, finanzielle Mittel zu generieren, die das Projekt am Laufen halten. Dazu Demirkan: „Wir haben bereits eine Gründungsveranstaltung für die Presse gemacht, mit der wir einige potentielle Unterstützer und weitere Interessierte auf unser Projekt aufmerksam machen konnten. Die Krebsgesellschaft NRW hat die Schirmherrschaft übernommen und momentan wird unser Projekt im Haushaltsausschuss des Familienministeriums bedacht. Das ist eine große Sache für uns! Wenn von dort das Okay für weitere Unterstützungsleistungen kommt, ist das endlich der offizielle Startschuss. Dann kann die erste Gästin das Haus beziehen.“

Demirkan benutzt das Wort „Gästin“ anstelle von „Patientin“. „Ich mache das ganz bewusst. Patient / Patientin ist ein medizinischer Begriff für kranke Menschen und so will ich die Besucher in meinem Haus nicht sehen. Es sind Frauen auf dem Weg zurück ins Leben und auf diesem Weg sind sie eben für eine gewisse Zeit meine Gäste.“

Jeder Aufenthalt im Haus soll über einen Zeitraum von drei Wochen gehen. „Das ist angelehnt an den Zeitraum, für den Menschen in Reha oder auch in Kur gehen. Wäre der Zeitraum kürzer, wäre der Erholungseffekt nicht vergleichbar“, so Demirkan. Hochgerechnet kämen so in einem Jahr 18 Frauen in den Genuss einer solchen Auszeit.

Grundvoraussetzung für die Unterstützung durch das Projekt „Zeit der Maulbeeren“ ist zum einen die Krebserkrankung und zum anderen die nachgewiesene Bedürftigkeit.

Dem Projektzweck entsprechend werden Frauen gefördert, deren wirtschaftliche Lage aus nicht selbstverschuldeten Gründen zu einer Notlage geworden ist und die somit ihren Unterhalt für ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben nicht aus eigener Kraft decken können. Auch Frauen mit Kindern bietet das Haus ausreichend Platz, auch sie sind herzlich willkommen.


Ruhe finden in angenehmer Atmosphäre.

Bleibt zum Schluss noch eine Frage: Wie kommt es zu dem Projektnamen „Zeit der Maulbeeren“? Renan Demirkan zeigt lachend auf einen einzelnen Baum direkt vor dem Haus: „Das hier ist ein Maulbeerbaum. Der steht symbolisch für die Dinge, für die wir uns wieder Zeit nehmen können, wenn wir uns aus unserem schnelllebigen Alltag zurückziehen. Dann haben wir Zeit, dann ist die Zeit der Maulbeeren.“

Weitere Infos auf zeit-der-maulbeeren.de

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