Blogbeitrag

Zwei Herzen in einer Brust

Gedanken einer Mutter, die bei der DKMS arbeitet, als die eigenen Kinder fast gleichzeitig Stammzellspender werden.

14.10.2019

Ich arbeite seit über neun Jahren bei der DKMS in Köln und bin Teil des Aktionsteams – des Teams, das Registrierungsaktionen in ganz Deutschland organisiert und durchführt. Mein „Spezialgebiet“ sind die Schulen und Universitäten. Wir wollen dort vor allem junge Menschen motivieren, sich in die Datei aufnehmen zu lassen, um eines Tages für einen an Blutkrebs erkrankten Patienten Stammzellen spenden zu können. Kurz gesagt: Ich finde meine Arbeit sehr sinnvoll und erfüllend!

"Ist eine Entscheidung wirklich „frei“, wenn die Mutter bei der DKMS arbeitet?"

Im Rahmen von zwei Schulaktionen 2012 und 2016 haben sich meine beiden Kinder Max und Luisa als jeweils frisch gebackene Volljährige in die Spenderdatei aufnehmen lassen – von mir! Sie haben bei den Aktionen mitgeholfen und ihre Mutter sozusagen „live“ bei der Arbeit erlebt. Genau wie alle anderen Mitschüler wurden sie zuerst umfassend über das Thema Stammzellspende aufgeklärt und konnten dann frei entscheiden, ob sie sich registrieren lassen wollten oder nicht. Aber ist eine Entscheidung wirklich „frei“, wenn die Mutter bei der DKMS arbeitet, total von ihrer Arbeit überzeugt ist und dann auch noch persönlich an der eigenen Schule vorbeikommt? Schwer zu sagen – für beide Seiten.

Mona Zimmermann mit ihren Kindern Luisa und Max

Heute sind meine Zwei 21 und 24 Jahre alt und mitten im Studium. Vor einigen Wochen erhielten sie unabhängig voneinander einen Anruf der DKMS. Sie wurden darüber informiert, dass sie eventuell für einen Patienten als Spender infrage kommen.

"Was für ein verrückter Zufall!"

Da die Wahrscheinlichkeit so gering ist, überhaupt Spender zu werden, waren wir alle total erstaunt. Besonders deshalb, weil die Geschwister für zwei verschiedene Patienten angefragt wurden – und das auch noch in einem so kurzen zeitlichen Abstand. Was für ein verrückter Zufall!

Wenn man als möglicher Spender diesen bewegenden Anruf der DKMS bekommt (meistens erst nach vielen Jahren), lautet die erste Frage stets: Bist du immer noch bereit zu spenden? Jeder, der sich hat registrieren lassen und diesen Anruf erhält, sollte sich in diesem Moment noch mal genauestens über die Entnahmearten und Risiken informieren. Aber vor allem sollte man sich die Frage, ob man bereit ist, selbst noch mal in Ruhe stellen und ehrlich beantworten.

Als ich von der Spendenbenachrichtigung für meine Kinder erfuhr, war mein erstes Gefühl zwiespältig: Einerseits war dies eine wunderbare Möglichkeit, zwei todkranken Menschen eine Chance auf Leben zu schenken, die diese ohne eine Transplantation vermutlich nicht hätten. Andererseits ging mir die Frage nicht aus dem Kopf, ob meine Kinder sich wirklich frei dafür oder dagegen entscheiden konnten oder ob das bei meinem Einfluss oder einer gewissen Prägung vielleicht gar nicht wirklich möglich war.

Max bei seiner Stammzellentnahme in Köln

Für mich wäre ihr Nein zur Spende völlig okay gewesen. Jeder Spender sollte unabhängig in seiner Entscheidung sein. Überreden ist niemals eine gute Grundlage für eine Spende. Man sollte nur aus Überzeugung und mit frohem Herzen spenden.

Aber wann ist eine Entscheidung wirklich frei getroffen und wann hängt sie unterbewusst doch fest? Spielen nicht immer auch Faktoren auf einer sozialen und kulturellen Ebene mit, über die wir uns nicht wirklich bewusst sind?

Schließlich wischte ich meine Zweifel weg. Denn eigentlich ist doch nur wichtig, ob wir bei unserer Entscheidung ein gutes Gefühl haben und uns nicht aufgrund einer Erwartungshaltung anderer dafür entscheiden, oder?

Und interessanterweise konnten meine Kinder meine Bedenken zwar verstehen, hatten aber keinerlei Entscheidungsschwierigkeiten: Beide sagten der DKMS sofort zu und blieben auch dabei.

Max und Luisa haben inzwischen beide – mit zwei Wochen Abstand voneinander – Stammzellen gespendet. Es war toll für meine Tochter, zuerst bei ihrem älteren Bruder zu erleben, wie die Vorbereitung und der Tag der Entnahme abliefen, bevor sie selbst spendete.

Luisa begleitete ihren Bruder Max bei der Spende

Die Vorbereitungszeit mit großem Gesundheitscheck und fünftägigem täglichem Spritzen eines Hormons, das das Ausschwemmen der Stammzellen in das Blut anregt, war sehr spannend. Auch für mich, denn bei meinen Kindern habe ich das Ganze mit anderen Augen gesehen und war ganz nah dabei.

Bis auf leichte Nebenwirkungen ging es beiden in dieser Zeit sehr gut. Zwei Tage nach der Entnahme waren sie schon wieder topfit. Mein Sohn hat für einen deutschen Mann gespendet, meine Tochter für ein italienisches Mädchen.

Ich bin natürlich eine superstolze Mama, wenn auch immer noch ganz überwältigt von diesem unglaublichen Zufall der fast zeitgleichen Spenden!

Luisa bei ihrer Stammzellentnahme

Abschließend möchte ich ein riesiges Lob an alle Kolleginnen und Kollegen aussprechen, die an diesem Spendeprozess beteiligt waren. Und meine Begeisterung ausdrücken für all die jungen Menschen, die diesen Weg gehen. Ab dem Moment der Vorbereitungszeit, wenn das Immunsystem der Patienten ganz runtergefahren wird, damit der Köper die neuen Stammzellen gut annimmt … ab diesem Moment tragen die Spender die Verantwortung für ein zweites Leben. Und nicht nur meine Kinder, sondern auch viele andere junge Spender, die ich bisher kennenlernen durfte, tragen diese „Last“ mit Stolz und einer Selbstverständlichkeit, die mich wirklich freut, beeindruckt und zugleich sprachlos macht.

Unsere heutige Jugend ist stark, mutig und sozial. Sie ist bereit, einen Unterschied in der Gesellschaft zu machen. Was für ein Geschenk!

Über Mona Zimmermann

Mona Zimmermann hat in Berlin und Köln Betriebswirtschaftslehre studiert und zusätzlich den B.B.A in den USA/Michigan absolviert. Nach beruflichen Jahren im Werbe- und Eventmanagement von Hotellerie und Einzelhandel in Berlin, Paris und Köln, hat sie vor 9 Jahren ihr Herz der DKMS geschenkt. Heute organisiert sie in der Abteilung Spenderneugewinnung vorwiegend Registrierungsaktionen für junge Menschen an Schulen und Hochschulen.

Weitere Möglichkeiten zu helfen
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